This is naturally for those who can read German.
It is a lovely piece about commuting between Berlin and Leipzig five days a week. Nearly as good as between Tralee and Dublin twice weekly.
Christoph Rieth ist Profi-Pendler: Ausgerüstet mit der “Schwarzen Mamba” der Bahn, einem grimmigen Blick und einem straffen Zeitplan legt der MDR-Redakteur täglich 400 Kilometer zwischen Berlin und Leipzig zurück. “Alles eine Frage der Organisation”, sagt Rieth, der mittlerweile viel in seinem Pendleralltag erlebt hat – und zudem Tricks für Bahn-Anfänger verrät.
Berlin Hauptbahnhof, 7:51 Uhr, Gleis 2. Man kennt sich. Die Namen der Mitreisenden weniger, aber ein freundliches, manchmal verschlafen wirkendes Nicken gilt als Begrüßungscode unter den Pendlern. Es sind Mitarbeiter vom Bundesverwaltungsgericht, Musiker des Gewandhausorchesters, eine Horde von Journalisten und Andere – alle im gleichen Großraumwagen. Es ist jedoch nicht die U- oder die S-Bahn, sondern der ICE 1607. Der Hochgeschwindigkeitszug schafft die 200-km-Strecke in knapp 60 Minuten nach Leipzig. 60 Minuten hin und 60 Minuten zurück. Manchmal auch länger, vor allem im Winter, bei Hitze oder Streik. Fünf Tage die Woche immer das gleiche Programm. In A leben, in B arbeiten.
Gerade auf dem Land ist Pendeln normal. Die Menschen leben in ihrem Dorf, gearbeitet wird in den nahegelegenen Städten und Zentren. Eben dort wo es Arbeit gibt. Das Phänomen ist auch in den Großstädten angekommen. In Berlin gibt es massenhaft Pendler die es tagtäglich nach Wolfsburg, Hamburg und Leipzig zieht. Die moderne Technik macht es möglich.
Warum tust Du dir das tägliche Pendeln eigentlich an?
Ich bin einer dieser Pendler. 35 Jahre alt, Familienvater, Redakteur. „Warum verlässt Du Berlin nicht und ziehst nach Leipzig?“, „Warum tust Du dir das tägliche Pendeln eigentlich an?“ – Fragen die mir oft gestellt werden und auf die es zahllose Antworten gibt. Eine davon ist natürlich die, die Familie nicht aus ihrem gewohnten Umfeld reißen zu wollen und irgendwo sonst anzusiedeln. Schließlich weiß ich nicht, wie lange ich in Leipzig arbeiten werde. Es sind auch egoistische Gründe. Ich lebe seit zehn Jahren in Berlin. Leipzig ist eine tolle und lebenswerte Stadt, aber in Berlin fühle ich mich zu Hause. Die entscheidende Antwort ist aber: weil es funktioniert! Man muss sich nur darauf einlassen. Ich mache das seit über drei Jahren und jedes Jahr werde ich besser, fast jeder Handgriff sitzt.
7.10 Uhr klingelt der Wecker. Startschuss für den genau optimierten Zeitplan. Duschen und anziehen bis maximal 7.30 Uhr. Kurzer Blick auf die Webseite der Bahn, ob der 7:51er-ICE auch pünktlich ist. Als Profipendler steige ich immer an einer bestimmten Fliese ein.Verabschiedung von der Familie und ab auf die Vespa. Wenn die Berliner Ampelschaltung mitspielt, schaffe ich es in acht Minuten zum Bahnhof. Am Haupteingang noch ein kurzer Blick auf die Anzeigetafel, Abwägen ob noch ein Kaffee zum Mitnehmen an der Espressobar drin ist. Danach quer durch den Bahnhof, beim Zeitungshändler noch etwas Aktuelles mitnehmen. Die Tagesschlagzeile entscheidet die Wahl. Dann auf die Rolltreppe und prüfen in welcher Wagenreihung der Zug einfährt. Das ist wichtig – denn als Profipendler kennt man genau die Fliese, wo die Zugtür hält. Kleiner Tipp: Beim ICE 3 steigt man immer im letzten Abteil der 1. Klasse ein und geht dann in die 2. Klasse. Dort befinden sich die meisten freien Plätze. Zeitung und Kaffee sind im Übrigen mein Zeitpuffer. Wird es mal richtig eng, dann muss ich darauf verzichten.
Während der Fahrt folgt immer das gleiche Ritual: Gangplatz suchen wegen der Beinfreiheit, Zeitung auspacken und grimmig schauen. Dann wird man von „normalen“ Reisenden nicht angesprochen, ob der Fensterplatz neben einem noch frei sei. Die Bahncard100 ist mein ständiger Begleiter.In der einen Stunde Fahrzeit schaffe ich meistens eine Tageszeitung, checke die wichtigsten Emails, arbeite ein wenig und für ein 10-Minuten-Schläfchen ist auch noch Zeit. Das alles wird nur durch ein kurzes Zeigen der Bahncard100 unterbrochen, die Late-Night-Talker Harald Schmidt nur die „schwarze Mamba“ nennt. Einerseits wegen Ihrer Farbe und andererseits, weil die Zugbegleiter ganz ehrfurchtsvoll stramm stehen.
Gegen 9.00 Uhr erreicht der ICE Leipzig Hauptbahnhof. Dort stand lange Zeit ein Fahrrad, mittlerweile die zweite Vespa, mit der ich zum MDR fahre. Rollerfahren macht ziemlich unabhängig, nichts ist nerviger als auf den öffentlichen Nahverkehr zu warten. 9.15 Uhr sitze ich am Schreibtisch. Kurz vor 18.00 Uhr ist im Normalfall Dienstschluss. Jetzt dauert es noch eine Stunde bis ich wieder in Berlin bin. Ich genieße diese eine Stunde, weil ich im Zug so herrlich abschalten kann. Wenn ich die Hauptstadt erreiche, habe ich den Arbeitstag verarbeitet. Als BackUp steht mir in Leipzig noch ein kleines WG-Zimmer zur Verfügung, das ich mir mit einem anderen Pendler teile.
Klingt eigentlich ganz o.k., oder?
Das war aber (nur) die Kür. Es gibt noch einen Pflichtteil, der sich auf improvisieren und reagieren beschränkt: Fährt der Zug nach Berlin pünktlich ab oder hat er eine Verspätung? Wenn verspätet, bleibe ich länger im Büro oder erledige ich am Bahnhof noch Einkäufe? Muss ich die Familie über die Verspätung informieren oder bleibt es im zeitlichen Rahmen? Kann ich die Verabredung zum Feierabendbier einhalten? Warten die Jungs beim Kicken mit dem Anpfiff?
Vor allem bei der Planung des Privatlebens wird der Fahrplan der Bahn ungewollt zur entscheidenden Grundlage. Freunde und Bekannte wissen schon, dass man sich mit mir am besten nach dem Fahrplan verabredet. Die Faustformel lautet dabei: Ankunft Hauptbahnhof Berlin plus 20 Minuten.
Kompliziert wird es erst, wenn die Bahn sich nicht an ihren eigenen Fahrplan hält. Verspätung, Ausfall, Streckensperrung und Umleitung habe ich alles schon mitgemacht. Dazu passend auch immer wieder lustige Durchsagen: Ersatzzug ist immer noch besser als kein Zug! „Unsere Abfahrt verzögert sich um 30 – 40 Minuten. Der Zubringer-Zug mit unserem Zugpersonal hat leider eine Verspätung“ oder „Unser Zug hat derzeit nicht genug Antriebskraft um über die Berge zu kommen. Wir müssen noch auf eine weitere Zugeinheit warten.“ Berge? Zwischen Berlin und Leipzig? Da fragt man sich dann schon, ob sich nachts die Kontinentalplatten verschoben haben.
Am nervigsten ist jedoch die Salamitaktik bei Verspätungen. Nur scheibchenweise in Fünf-Minuten-Häppchen verkündet die Bahnhofsdurchsage die wirkliche Abfahrtszeit, wobei Anzeigetafel, Durchsage und Bahn.de oft völlig unterschiedliche Angaben ausspucken. Aber Aufregen bringt eigentlich nichts. Ich beschwere mich selten und ertrage es einfach. Ein Mitpendler aus meiner „Reisegruppe“ zieht dagegen immer die Pöbelnummer durch und beschwert sich beim Personal über alles. Während ich denke, der arme Zugbegleiter kann auch nichts dafür, ist seine Theorie auch plausibel: der Herr Schaffner muss das aushalten, das gehört zu seiner Job Description. Mit unserer Good-Cop-Bad-Cop-Nummer fahren wir eigentlich ganz gut. Ich habe den geringeren Puls, er die besseren Informationen. Und manchmal tauschen wir auch die Rollen.
Christoph Rieth (mdr)
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