Christa Wolf was 80 on March 18.
She grew up in the 1930s in Landsberg a.d. Warthe, today the Polish town of Gorzów Wielkoplski.
Wolf was an 'accepted' author in the GDR and on the collapse of the East German state argured for the retention of a state with a separate identity to the Federal Republic.
In the early 1980s she was a symbol, a flag-bearer for an alternative 'life-style' to that offered by the SED.
She shows similarities with 'Dreyman' in the film 'The Lives of Others'.
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Schreiben, Politik und Familie"
"Schreiben, Politik und Familie" seien die "Ordnungslinien" ihres Lebens, heißt es im Vorwort zu einer "Biographie in Texten und Bildern" (2004). In ihrem Leben spiegelten sich "die Auseinandersetzungen und historischen Kalamitäten der geteilten Welt nach der Jahrhundertkatastrophe des Faschismus". Christa Wolf wird darin auch wegen ihrer "moralischen Autorität als bedeutendste deutschsprachige Prosa-Autorin der Gegenwart" gelobt. Doch mit Moral und Autorität sammelte sie ihre eigenen Erfahrungen, was die Sache etwas komplizierter macht.
"Ich habe erfahren, dass es nicht immer möglich ist, zugleich 'moralisch' und menschlich zu handeln; als ich das merkte, war mir klar, dass ich in einer Klemme saß, aus der ich nicht unangefochten herauskommen würde. Und dass ich doch nichts anderes tun konnte." So schreibt Christa Wolf nach der Biermann-Ausbürgerung 1976 an Günter Grass. Sie kann nichts anderes tun, als zu versuchen, sich schreibend aus der Klemme zu befreien. Persönliche Erschütterungen oder aufkommendes Misstrauen gegen die eigene Erinnerung waren und bleiben für sie der Anlass für Erzählungen und Romane wie "Christa T." (1968), "Kindheitsmuster" (1976), "Kassandra" (1983) oder "Leibhaftig" (2002).
Die Anfänge
Ihre Diplomarbeit - "Probleme des Realismus im Werk Hans Falladas." -, die sie auf einer geliehenen Schreibmaschine für Hans Mayer in Leipzig tippt, scheint wie ein Vorgriff auf kommende Auseinandersetzungen um die "richtige Weltsicht". Doch zunächst scheint alles bestens zu verlaufen. Christa Wolf arbeitet beim Schriftstellerverband, dann als Cheflektorin beim Verlag "Neues Leben" in Berlin, schließlich beim Mitteldeutschen Verlag in Halle. 1961 findet ihre "Moskauer Novelle" große Beachtung.
"Der geteilte Himmel"
Mit ihrer Geschichte einer Liebe, die im Sommer 1961 an der Teilung Deutschlands scheitert, hat sie 1963 ihren Durchbruch: Für "Der geteilte Himmel" bekommt sie den Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste – ein Jahr später schon wird der Roman verfilmt. Auch im Westen wird man jetzt auf die junge Frau aufmerksam, die sich trotz Mauerbaus zu den Idealen des Sozialismus bekennt und den "Bitterfelder Weg" befürwortet, der Autoren in die Betriebe schickt und Kumpel zur Feder greifen lässt, um Kunst und Leben, Hand- und Kopfarbeit zu versöhnen.
Das 11. Plenum 1965: "Unsere DDR ist ein sauberer Staat"
Scheinbar stärker als der Mauerbau wird das 11. SED-Plenum 1965, das eine restriktive Kulturpolitik einleitet, zum einschneidenden Erlebnis. Als Kandidatin des ZK der SED nimmt Christa Wolf daran teil. "Unsere DDR ist ein sauberer Staat", postuliert der 1. Sekretär des ZK der SED, Erich Honecker, in seiner Rede. Ein Exempel soll statuiert werden gegen "modernistische, "anarchistische" oder "nihilistische" Strömungen in Kunst, Literatur oder Film; gegen die "Verabsolutierung der Widersprüche" und die Anwendung des Begriffs "Entfremdung" auf die DDR-Verhältnisse wird zu Felde gezogen. Infolge werden zwölf Filme - darunter "Spur der Steine" - also ein ganzer DEFA-Jahrgang, verboten. Theaterstücke, Radio- und Fernsehsendungen werden abgesetzt, Bücher kommen nicht in Druck. Als Übeltäter werden namentlich Autoren wie Heiner Müller, Stefan Heym, Peter Hacks, Volker Braun oder Werner Bräunig genannt.
Als einzige widerspricht in diesem geschlossenen Funktionärszirkel Christa Wolf. Sie verteidigt Werner Bräunig. Der Autor, der 1959 noch den Aufruf zur 1. Bitterfelder Konferenz verfasste, nun aber mit seinem Wismut-Roman "Rummelplatz" wegen angeblicher Beleidigung der Werktätigen und der sowjetischen Partner auf so harsche Ablehnung stößt, dass er die Arbeit an dem Roman später abbricht. Christa Wolf mahnt auf dem Plenum, dass das "freie Verhältnis zum Stoff" nicht wieder verloren gehen dürfe, gleichzeitig bekennt sie sich zur DDR, nur dort wolle sie leben und schreiben. Doch ihre Rede, die überzeugen und wachrütteln soll, wird als Provokation aufgefasst. Gleichwohl wird sie durch ihr Auftreten zur Identifikationsfigur der Intellektuellen.
16. 11. 1976 - Zäsur in der DDR-Geschichte "Nachdenken über Christa T." - Ein Fall für die Zensur
Mit "Nachdenken über Christa T." (1968) beginnt ihr Schreiben gegen die Zensur. Christa T., ehemalige Mitstudentin und zugleich alter ego der Erzählerin, hält die Spannung zwischen gesellschaftlichen Maßgaben und den eigenen Ansprüchen auf individuelle Entfaltung nicht mehr aus, sie meldet sich aus dem Leben ab, denn gebraucht werden nur "schräubchengleich funktionierende Tatsachenmenschen", sie wird krank und stirbt an Leukämie. In einem Selbst-Interview schreibt die Autorin zur Arbeit an Christa T.: "Später merkte ich, dass das Objekt meiner Erzählung gar nicht so eindeutig sie, Christa T., war oder blieb. Ich stand auf einmal mir selbst gegenüber." Das Buch wird ein Fall für die Zensur, denn es macht einer Gesellschaft den Prozess, die sich "die Entfaltung des Menschen zum Menschen" auf die Fahnen geschrieben hatte. Nach drei Gutachten wird im Mai 1968 entgegen der vermeintlichen "Gefahr ideologischer Desorientierung" doch noch eine Druckgenehmigung über 15.000 Exemplare erteilt, im Dezember nimmt man unter dem Eindruck des "Prager Frühlings" davon Abstand, schließlich erscheint im Frühjahr 1969 eine Auflage von nur 800 Exemplaren.
"Doppelleben"
1969, ein Jahr nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei schreibt Christa Wolf scheinbar resigniert an ihre Kollegin Brigitte Reimann: "Zu leben, und möglichst nicht gar zu sehr gegen den eigenen Strich zu leben, das heisst zu arbeiten und ein paar Leute daran teilhaben zu lassen, ist die einzige Art von Tapferkeit, die ich heute sehe." Und ihrem Tagebuch vertraut sie ihr "Doppelleben" an, "dass ich auf die äußeren Ereignisse, auf Worte, Nachrichten, mechanisch reagierte, dass aber in mir drin ein ganz anderes, tief verzweifeltes Leben abrollte".
"Wie sind wir so geworden, wie wir sind?"
"Wie sind wir so geworden, wie wir sind?" Um diese Frage zu klären, reist Christa Wolf 1972 in ihren polnischen Heimatort Landsberg a.d. Warthe, heute Gorzów Wielkoplski, in dem sie Anfang der 30er Jahre aufwuchs. Trocken, distanziert zeichnet sie ihren Erinnerungen dann im Roman "Kindheitsmuster" (1976) auf. Nelly heißt das Kind, das sie selbst gewesen ist. Es erinnert sich an die roten Geranien vor allen Fenstern, die blaugelb gestreiften Vorhänge des Kinderzimmers und den Kolonialwarenladen des Vaters mit Kathreiner-Malzkaffee und Knorrs Suppenwürsten. Es erinnert sich auch an die Schule, wo Rassentheorie zum Lehrplan gehörte wie Mathematik und Sport ... So stellt sie die im antifaschistischen Staat selten behandelte Frage: Wie funktionierte der ganz alltägliche Nazismus, der von "Mitläufern" getragen wurde? Christa Wolf findet sie in der eigenen Familie und untersucht die "Muster" der Anpassung.
Romantik und antike Mythen als "Fluchträume"
Tatsächlich zieht sich die Autorin nie ins bloß Private zurück. 1976 - im Jahr der Ausbürgerung Wolf Biermanns gehört Christa Wolf mit zu den Initiatoren des Protestes. Sie bleibt im Lande und verlässt es zugleich, indem sie ihre Stoffe in die fernere und fernste Vergangenheit verlagert. 1979 erscheint "Kein Ort. Nirgends". Die Handlung spielt 1804. Auf einer Festgesellschaft der Erfolgreichen und Etablierten treffen sich zwei Menschen, die nicht dazugehören: Der junge 24-jährige Schriftsteller Heinrich von Kleist, der nicht gegen die restaurativen Stimmung und das enge Preußen, in dessen Staatsdienst er sich befindet, ankommt, und Karoline von Günderode, für die eine freie schriftstellerische Arbeit als Frau aus gutem Hauses sowieso undenkbar ist. Dazu bemerkte die Autorin, dass sie sich durch die Biermann-Ausbürgerung dazu veranlasst sah, den "Zusammenhang von gesellschaftlicher Verzweiflung und Scheitern in der Literatur" zu untersuchen. "Ich mußte über eine Zeit hinwegkommen, in der es absolut keine Wirkungsmöglichkeit mehr zu geben schien." 1983 folgt "Kassandra", sie geht nun bis in die Antike zurück. Den Mythos von der trojanischen Seherin greift sie auf, weil sie darin eine der ersten Frauengestalten sieht, die durchlebt, was dann Jahrhunderte lang Schicksal der Frauen sein wird: in einer patriarchalen und kriegerischen Welt zum Objekt gemacht zu werden. Kassandra lässt sie sagen: "Ich will Zeugin bleiben, auch wenn es keinen einzigen Menschen mehr gibt, der mir mein Zeugnis abverlangt."
Wolf als "gesamtdeutsche Autorin"
Die Kritik bescheinigt ihr, mit "Kassandra" zur gesamtdeutschen Autorin geworden zu sein. Die Erzählung wurde auch ihr größter internationaler Erfolg, was sicher mit dem Anfang der 80er Jahre besonders brennenden Thema "Frauen" und "Frieden" zu tun hatte. 1987 thematisiert sie in "Störfall" die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, die in den DDR-Medien weitgehend verharmlost wird.
Unter Beschuss als "domestizierte Opponentin"
Mit der Wende beginnt der Stern der Autorin zu sinken. Nachdem sie im Juni 1989 aus der SED ausgetreten ist, mischt sie sich mit Reden, offenen Briefen und Lesungen immer wieder in die aktuellen politischen Geschehnisse ein. Am 28. November 1989 gehörte sie mit Stefan Heym, Volker Braun und Friedrich Schorlemmer zu den Erstunterzeichnern des "Aufrufs für unser Land", der sich für die Weiterexistenz einer eigenständigen DDR und gegen die Vereinnahmung durch die Bundesrepublik einsetzte. Doch wird sie daraufhin in den Medien als "domestizierte Opponentin" des SED-Staates angegriffen, als Verbündete des Systems. Die Schriftstellerin zieht sich von der Tagespolitik zurück. 1990 erscheint der schmalen Erzählband "Was bleibt", Reflexionen der Erzählerin, die sich von der Stasi observiert sieht. Das Bändchen zieht einen Literaturstreit nach sich. Reißerisch wird sie als "Heuchlerin" und "Staatsdichterin" abgekanzelt. Sie steht stellvertretend für die in der DDR gebliebenen Künstler und Wissenschaftler.
"GI Margarete" und OV "Doppelzüngler"
Als sie sich 1993 als Stipendiatin des Getty Centers im kalifornischen Santa Monica aufhält, wird ihre IM-Tätigkeit von März 1959 bis Oktober 1962 publik. Sie sieht sich einer regelrechten "Dampfwalze von Vorwürfen" gegenüber, die jegliche vernünftige Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit verhindert – stand sie selber doch seit 1969 bis zum 11. Oktober 1989 unter Observation der Stasi, die "GI Margarete" 1960 bescheinigt, "sehr gern über ideologische Fragen unserer Literatur" zu diskutieren, aber nicht die "erforderliche Liebe zu unseren Aufgaben" aufzubringen. Nach dem Eklat auf dem 11. Plenum und "Nachdenken über Christa T" wird sie der "anderen Seite" zugerechnet, 1969 schließlich der Operative Vorgang "Doppelzüngler" gegen sie und ihren Mann Gerhard Wolf angelegt, der zum Ende der DDR 41 Bände umfasst.
"Leibhaftiger" Abschied von der DDR?
Das Schreiben bleibt ihr Mittel zur Befragung der eigenen Positionen und Biografie. 1999 erscheint eine Sammlung ihrer in den letzten Jahren vereinzelt veröffentlichten Reden, Aufsätze und Erzählungen unter dem Titel "Hierzulande, Andernorts". Im zehnten Jahr nach dem Mauerfall und dem Scheitern "ihres" Staates erklärt Christa Wolf die Trauerarbeit für beendet, geblieben sei "etwas wie ein Phantomschmerz". 2002 meldet sich die Autorin mit der Erzählung "Leibhaftig" zurück. Unter Verwendung autobiografischen Materials erzählt Christa Wolf den Alptraum eines Krankenhaus-Aufenthalts in der Endzeit der DDR. Eine namenlos bleibende Patientin gerät an den Rand des Todes, ihr Körper wird zum Seismographen eines allgemeinen Zusammenbruchs. 34 Jahre nach "Christa T." knüpft Wolf damit wieder an ein altes Sujet an: Der kranke Körper wird zum Austragungsort für ungelöste Konflikte. In "Christa T." führen sie die Protagonistin in den Tod, in "Leibhaftig" therapiert die Kranke sich selbst und befreit sich von den letzten Illusionen. Die Kritik urteilt, mit dieser Erzählung nehme die Autorin endgültig Abschied von der DDR. Und noch ein Rückblick: 40 Jahre lang protokollierte Christa Wolf einen Tag im Jahr: den 27. September. Ein sehr persönliches und dennoch politisches Zeitzeugnis entstand, das 2003 erschien ("Ein Tag im Jahr").
Günter Grass überreicht Christa Wolf 2002 den Deutschen Bücherpreis fürs Lebenswerk.
"Ich lebe gerne."
Der biographische Band, der zu ihrem 75. Geburtstag vor fünf Jahren erschien, dokumentiert in Texten und Bildern das private Glück mit Freunden und Familie in Berlin und im geliebten Landhaus im Mecklenburgischen, aber auch die offiziellen Auftritte der Autorin, die immer nachdenklicher dreinzuschauen scheint und dennoch weiter auf die "Zähigkeit von Hoffnung" setzt, weshalb sie am Ende kein verbittertes Fazit zieht: "Ich lebe gerne."